Antinapoleonische Heldenphantasien

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Beschreibung


Alexander Quack

Antinapoleonische Heldenphantasien. Zur lyrischen Imagination charismatischer Größe im frühen 19. Jahrhundert (1806–1815)

ISBN 978-3-98940-026-9, 348 S., kt., € 39,50 (2024)

(Schriftenreihe Literaturwissenschaft, Bd. 101)


In von Krisen geprägten Zeiten und vor allem dann, wenn die Herrschaft traditional legitimierter Machthaber ins Wanken gerät, ist der Boden bereitet für den Auftritt des ‚charismatischen Führers‘ (Max Weber). Eine solche Situation herrscht im Preußen des frühen 19. Jahrhunderts vor, im Zeitalter der Antinapoleonischen Kriege. In der propagandistischen Lyrik dieser Zeit entwerfen Dichter wie Ernst Moritz Arndt oder Friedrich Rückert die Vorstellung von heroischen Leitgestalten, die aufgrund ihres Charismas mit der königlichen Macht in Konkurrenz treten und dazu imstande scheinen, Napoleon zu Fall zu bringen und die Einheit der deutschen Nation herbeizuführen.

In seiner Studie geht Alexander Quack der Frage nach, wie das Phänomen des Charismatismus im Medium der Lyrik verhandelt wird. Neben Texten von Arndt und Rückert stehen auch solche von Theodor Körner, Max von Schenkendorf oder heute bereits vergessenen Autoren im Zentrum der Untersuchung. Die von diesen Dichtern imaginierten Heldenphantasien leisten dem Eindruck Vorschub, als ließe sich die herrschende Notlage nur unter Führung charismatisch begnadeter Persönlichkeiten überwinden. So wird beispielsweise der Freikorpsführer Ferdinand von Schill zum politischen Märtyrer erhoben, während der Feldherr Gebhard Leberecht von Blücher zum leibhaftigen Nationalhelden stilisiert wird. Die Imagination des Heroischen vollzieht sich vor dem Hintergrund der nationalen Identitätsproblematik und ist in den bürgerlichen Geschlechterdiskurs eingebunden.

Der Held tritt als Verkörperung des jeweiligen ‚Volkscharakters‘ in Erscheinung, als charismatischer Führer in existenziellen Bedrohungslagen, als Reinkarnation mythischer oder historischer Vorfahren, als Akteur einer heroischen Kooperationsgemeinschaft oder als Naturgewalt. Stellvertretend handelt er für die Gemeinschaft, die gerade durch die Exzeptionalität seiner Tat wieder hergestellt werden soll.


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Pressestimme

"Mit der großen Niederlage, die Preußen im Kampf gegen Napoleon 1806 erlebte, verband sich in den nachfolgenden Jahren eine Krisenzeit, die nicht nur verschiedene Reformen, sondern auch die Geburt neuer Helden zur Folge hatte. Sie entstanden durch die Aktivitäten patriotischer Kreise, einzelne antinapoleonische Aufstände und vor allen Dingen die Befreiungskriege. Zu dieser Heldenverehrung haben in einem nicht zu unterschätzenden Maße die zahlreichen Gedichte beigetragen, die bis zum Ende der napoleonischen Ära entstanden sowie nach 1815 weiter tradiert und vermehrt wurden. Die Studie von Alexander Quack unternimmt auf gelungene Weise den 'Versuch, aufzuzeigen, wie die Figur des charismatischen Helden in der Lyrik der Antinapoleonischen Kriege (1806–1815) ausgestaltet wird'. Die Grundlage für Quacks Untersuchung stellen Max Webers Überlegungen zur charismatischen Herrschaft dar. Mit ihnen verfolgt der Autor bei seiner Analyse einer ausgewählten Anzahl von damals populären wie auch weniger bekannten Gedichten drei zentrale Fragen: Welche individuellen Merkmale kennzeichnen die präsentierten Helden? Auf welchen ästhetischen Mustern baut die Darstellung ihrer heroischen Größe auf? Wie sieht es angesichts der zeitgenössischen Leitbilder von patriotischer Männlichkeit und patriotischer Weiblichkeit mit der 'lyrischen Repräsentation weiblicher Größe' aus? Die Arbeit ist klar strukturiert: Auf die Einleitung, in der schlüssig das Anliegen, die genannten Fragen, der Forschungsstand, die Quellenauswahl und der Aufbau dargebracht werden, folgen drei größere Teile und ein knapper Schluss mit einem Ausblick auf einige 'Rezeptionsstationen' bis zum Ersten Weltkrieg. Die Studie vermag anhand der vielen untersuchten Beispiele eindringlich darzulegen, wie die verschiedenen Held:innen, die militärische Erfolge aufwiesen oder zumindest Mut im Aufstand gegen Napoleon zeigten, letztlich ein politisches Vakuum ausfüllten. Dieses ergab sich unter anderem aus dem Auftreten und Handeln des Königs, der angesichts der existenziellen Gefährdungen Preußens teilweise recht zurückhaltend gegenüber Napoleon agierte und allgemein auch nicht besonders charismatisch erschien. Bei den heroisch ausgestalteten Figuren der Dichter wird zudem deutlich, wie ambivalent das Bild der weiblichen Heldinnen war. Denn abgesehen von der Sonderstellung, welche die preußische Königin Luise einnahm, blieben die in Erscheinung getretenen Frauen wie beispielsweise Johanna Stegen oder Eleonore Prochaska, bei der auch ein direkter Bezug zu Jeanne d‘Arc hergestellt wurde, letztlich nur auf der Stufe der 'vorbildlichen Helferin' und damit den männlichen Helden nachgeordnet. Alexander Quacks Buch ist erfreulich flüssig geschrieben und führt aus seiner literaturwissenschaftlichen Perspektive heraus auch der historischen Forschung vor Augen, wie politisch und kulturell bedeutsam die 'lyrische Imagination charismatischer Größe im frühen 19. Jahrhundert' war."

Sebastian Hansen, H-Soz-Kult (2025)