Unheimliche Antike
Beschreibung
Manuel Baumbach, Arnold Bärtschi (Hg.)
Unheimliche Antike. Bedrohliche Texte, verunsicherte Rezipienten, verstörende Lektüren
ISBN 978-3-86821-914-2, 208 S., 2 Abb., kt., € 32,50 (2021)
(BAC - Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium, Bd. 108)
Die seit der Romantik in Literatur und Kunst häufig inszenierte ästhetische Erfahrung des Unheimlichen als Gefühl ängstlicher Irritation beim Umschlag von Vertrautem ins Unvertraute und bei der Konfrontation mit vermeintlich bekannten Objekten, Figuren oder Situationen in verfremdeten Erscheinungsweisen und ungewohnten Kontexten wird im vorliegenden Band für die antike Literatur und ihre Rezeption anhand von Fallstudien genauer untersucht. Dabei werden angesichts des Fehlens antiker Reflexionen über das Unheimliche Grenzen und Möglichkeiten der Anwendung moderner Analysekonzepte auf antike Texte diskutiert. Die Spannbreite der betrachteten Texte reicht von Homer bis Elfriede Jelinek, die besprochenen unheimlichen Motive und Erzählstrukturen stammen aus unterschiedlichen Gattungen wie Epos, Drama, Bukolik, Lyrik, Historiographie und Roman.
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Pressestimmen
"Mit dem Schwinden des Polytheismus nahm das Unheimliche nach unserem Verständnis zu, da sich die Lebensrealität, der Horizont des 'Normalen', verändert hatte; hierin liegt die Trennlinie zwischen den antiken Menschen und uns. Ein umfangreicher 'Index locorum' beschließt den ebenso abwechslungsreichen wie anregenden Band, der eindrücklich belegt, wie ergiebig ein sogenannter 'Nullbefund' sein kann: Denn den Herausgebern und Beiträger*innen ist es gelungen, das Unheimliche in der Antike und weit darüber hinaus heimisch zu machen."
Sonja Schreiner, Wiener Studien 135 (2022)
"Dieser von Manuel Baumbach und Arnold Bärtschi herausgegebene Band betritt in der Tat Neuland. Bedrohliche Texte, verunsicherte Rezipienten und verstörende Lektüren werden von Homer und Hesiod bis in das 20. Jahrhundert dahingehend untersucht, inwiefern Motive, Erzählstrukturen und Wirkungen zum Vorschein kommen, die als unheimlich betrachtet werden können. In exemplarischer Weise werden verschiedene Texte und Gattungen (v.a. Epos, Drama und Roman) aus knapp drei Jahrtausenden (bis hin zu Elfriede Jelineks Roman 'Die Kinder der Toten') hinsichtlich ihrer Unheimlichkeit analysiert. Den beiden Herausgebern, aber auch den Verfasser*innen der einzelnen Beiträge ist es insgesamt gelungen, das moderne Konzept des Unheimlichen so zu definieren, dass es weder zu eng ihrer im Wesentlichen psychoanalytischen Prägung zu Beginn des 20. Jahrhunderts verhaftet ist, noch in einer zu weiten Bedeutung allzu schwammig wird und einer kaum bestimmbaren Alltagsbedeutung entspricht. Glenn W. Most gebührt das Verdienst, im Nachwort das Problem auf den Punkt gebracht zu haben, warum es - von einigen Ausnahmen abgesehen - schwer fällt, vormoderne Texte zu finden, in denen das Unheimliche hervortritt. In einer präzisen Definition des Unheimlichen weist er darauf hin, dass eine bestimmte Verbindung eines fehlschlagenden kognitiven Aktes und eines Angst auslösenden Gefühls vorhanden sein muss. Und dieses dunkel bleibende, aber beängstigende Unverständnis richtet sich nicht auf irgendein gefährliches oder verstörendes Objekt, sondern auf die Unfähigkeit selbst, das Wesen des Unheimlichen zu verstehen, das von einer potentiell unheimlichen Situation veranlasst wird. Folglich lässt sich das Unheimliche nicht universal voraussetzen, wie es in den Konzepten des Unheimlichen postuliert wird, die im 20. Jahrhundert entwickelt wurden. Vielmehr eröffnet sich das Unheimliche dort einen Raum, wo nicht mehr der Glaube an das Walten und Wirken der Götter oder des einen Gottes unser Verhältnis zur Welt bestimmt, sondern wo (philosophisch aufgeklärte) Menschen meinen, dass die Welt für das menschliche Verständnis grundsätzlich zugänglich ist und sie in diesem Sinn in ihr heimisch sind - erst dann sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass ein Objekt oder eine Situation auf einmal als unheimlich entgegentreten kann."
Stefan Feddern, Gnomon 96.7 (2024)