"The Chair" (1962)

Ingo Neubert

"The Chair" (1962). Eine Analyse

ISBN 978-3-88476-197-7, ISBN 3-88476-197-8, 130 S., 8 Abb., kt., € 13,00 (1996)

(Studien zum amerikanischen Dokumentarfilm, Bd. 3)

Der Dokumentarfilm "The Chair" schildert einen Konkfliktherd, der bis in die jüngste Gegenwart die amerikanische Gesellschaft bewegt: das Todesurteil und die Exekution auf dem Elektrischen Stuhl. 3000 Inhaftierte warten derzeit in den Todestrakten amerikanischer Gefängnisse auf ihre Hinrichtung – jährlich kommen ca. 260 weitere hinzu. In der Aufzeichnung des Begnadigungsverfahrens eines zum Tode Verurteilten nimmt "The Chair" nicht nur im Filmschaffen von Richard Leacock, sondern im Dokumentarfilm-Genre überhaupt einen herausragenden Platz ein. Wie in kaum einem anderen Film geraten hier fundamentale Funktionsweisen und Glaubenssätze der US-Gesellschaft auf den Prüfstand: von den Grundgedanken der amerikanischen Verfassung und Prinzipien des Strafrechtssystems über die Praxis des Strafvollzugs bis hin zu dem prekären Beziehungsgefüge zwischen Justiz, Medien und Öffentlichkeit und dem damit verbundenen Verständnis von Rechtsstaat und Demokratie. Die Analyse macht den Werk- und Zeitstil des Films sichtbar und beleuchtet den sozial- und rechtshistorischen Kontext aus interdisziplinärer Perspektive. Mit der Frage um die Zulassung von Fernsehkameras bei Gerichtsverhandlungen nimmt die Untersuchung auf die jüngste Entwicklung des "Court-TV" und "Jurotainment" in den USA Bezug.