Stefan Andres: Noah und seine Kinder
Beschreibung
Stefan Andres
Noah und seine Kinder. Nach der separaten Ausgabe der Legenden kritisch ediert und kommentiert von Armin Erlinghagen
ISBN 978-3-86821-947-0, 348 S., 3 Abb., kt., € 45,00 (2022)
In seinem mythologischen Roman "Noah und seine Kinder", entstanden zwischen 1949 und 1959, greift Stefan Andres die biblische Sintflut-Erzählung auf und entwickelt sie, Motive und Figuren vielfach erweiternd und transformierend, genuin weiter. Mit seinem Noah gestaltet Andres eine poetische Figur, die, im unbestimmten Raum zwischen archaischer Fantasie und moderner Rationalität schwebend, durch ihre Worte und Werke all unsere Vorstellungen über >Gott< ins Wanken bringt. Auch nach der Großen Flut sind Liebe und Haß unter den Menschen dieselben geblieben, herrscht unter ihnen weiterhin Mord und Totschlag. Am Ende steht Noahs Einsicht, seine Arche sei nur mehr der Raum der Meditation über Gott: Nicht wortgewandtes Reden, sondern die Bilder, die durch den Gedanken an Gott und an Göttliches hervorgerufen werden, sind das Bleibende, am eindringlichsten wohl das Bild von Gott als einem an Händen und Füßen gefesselten Kind, das dazu bestimmt ist, durch den Menschen befreit zu werden.
Der Literaturwissenschaftler Armin Erlinghagen hat Stefan Andres' Legendenzyklus, den er zu den originellsten in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstandenen deutschsprachigen Dichtungen zählt, wiederentdeckt und legt ihn hier erstmals in einer textkritisch edierten Gesamtausgabe vor. Angereichert wird die Edition durch umfangreiche texterschließende Materialien und exemplarische Analysen.
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Pressestimmen
"Dr. Armin Erlinghagen, hat einen wahren Schatz der deutschen Literatur gehoben und wieder zugänglich gemacht; er hat den erzählerischen Zyklus Noah und seine Kinder von Stefan Andres, einer der wichtigsten Autoren der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, nach modernen Editionsregeln textkritisch bearbeitet und achtsam kommentiert. Die kritische Edition (einschließlich der thematisch zugehörigen Legende Die Unbekannten) umfasst rund 160 Seiten, der editorische Teil inkl. Vorrede, Apparat, diversen Anhängen, gelehrten Anmerkungen und Bibliographie mehr als 210 Seiten. Der textkritische Apparat enthält die Dokumentation der unterschiedlichen Überlieferungen von drei Legenden, die Synopsis zweier Fassungen einer, sowie Varianten zu drei weiteren Legenden. Sie zeigen dem interessierten Leser zum einen, wie intensiv der Autor mit seinem Text gerungen hat, zum anderen dokumentieren sie den Weg des Editors zur Ausgabe letzter Hand. Die Anhänge enthalten aufschlussreiche Übersichten und Materialien zu den veröffentlichten Legenden, beispielsweise zu den dort genannten Personen, Räumen, Orten, Elementen, ferner zeitgenössische Kritiken. Weitere Kapitel betreffen den editorischen Bericht, den historischen Kommentar sowie exemplarische Analysen, vor allem der Metaphorik. Anmerkungen und Bibliographie bilden den für eine wissenschaftliche Abhandlung erforderlichen Abschluss einer in jeder Hinsicht gelungenen Publikation, für die mit großem Nachdruck zu danken ist."
Horst A. Wessel, Wirkendes Wort 73.2 (2023)
"Die Noah-Legenden sind eines der Stiefkinder der Andres-Forschung. In der Summe 15 Legenden hat Andres in seine Trilogie Die Sintflut (1949, 1951, 1959) eingebettet und damit dem politischen Deutschlandroman eine mythopoetische Tiefe gegeben, die ihn vor allegorischer Überfrachtung bewahrt. 1968 sind die Legenden in einer separaten illustrierten Ausgabe (1996 als Paperback) erschienen; sie fehlen aber in der – auf Kürzungen des Autors beruhenden – postumen einbändigen Ausgabe der Sintflut im Wallstein Verlag (2007). Gegenüber dieser Ausgabe letzter Hand hat sich der Bad Münstereifeler Literaturwissenschaftler A. Erlinghagen für die Fassung von 1968 entschieden und den darin enthaltenen Textbestand akribisch mit den Legenden in der Romantrilogie abgeglichen. Diese kritische Edition ist in ihrer Detailfülle und Kommentierungsfreude beinahe mustergültig. Ein Variantenverzeichnis erschließt die Änderungen, die der Autor gegenüber den Vorabdrucken von fünf Legenden am Text vorgenommen hat (das betrifft vor allem die poetische Aufladung der Namen der Noah umgebenden Figuren). Auch der Materialienteil, der die recht unterschiedlichen Reaktionen der Literaturkritik auf Roman- und Separatausgabe sowie die Personen und die Räume der Legenden auflistet, sowie der editorische Bericht, der von einer Lesart der Legenden als 'Kontrafakturen' des biblischen Archetyps ausgeht, warten mit weiterführenden Deutungsansätzen auf; allein aus dem Motivkreis von Spiegel und Abspiegeln lässt sich ein ästhetischer Anspruch von Andres' Erzählkunst ablesen, der dem Konzept eines alttestamentarischen Realismus von 'Hintergründlichkeit, Vieldeutigkeit und Deutungsbedürftigkeit' (E. Auerbach: Mimesis, 7. Aufl. 1982, 26) nahekommt. Eine exzellent aufgestellte, manchmal zur Übergenauigkeit neigende, aber stets textnahe Edition eines lange zu Unrecht vernachlässigten Erzählkranzes aus der Literatur von Innerer Emigration und Nachkriegszeit. Erlinghagens Ausgabe lädt auf schöne Weise zur Wiederentdeckung des am Mythos arbeitenden Erzählers Stefan Andres ein."
Michael Braun, Germanistik: Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen 64.3/4 (2023)