Ironie. Griechische und lateinische Fallstudien
ab 28,50 €
Beschreibung
Reinhold F. Glei (Hg.)
Ironie. Griechische und lateinische Fallstudien
ISBN 978-3-86821-177-1, 284 S., kt., € 28,50 (2009)
ISBN 978-3-86821-178-8, 284 S., geb., € 38,50 (2009)
(BAC - Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium, Bd. 80)
Der vorliegende Band versammelt die Beiträge und Ergebnisse einer Tagung, die im Juni 2007 am Seminar für Klassische Philologie der Ruhr-Universität Bochum stattgefunden hat. Die Tagung verfolgte das Ziel, dem Phänomen der Ironie bzw. ihrer Erkennbarkeit durch Signale anhand der Analyse exemplarisch ausgewählter Texte bzw. Themenkomplexe nachzugehen. Im Vordergrund stand dabei die Frage, wie die Texte Ironie rhetorisch produzieren und welche Signale sie zumindest dem primären Rezipienten geben, um die Ironie zu erkennen. Ein einfaches 'Handbuch für Ironiesignale' kann es natürlich nicht geben, wohl aber sollten sich grundsätzliche Regeln und Strategien herauskristallisieren lassen, die eine gewisse Verbindlichkeit beanspruchen dürfen. Der Nutzen solcher Regeln für die Interpretation literarischer (nicht nur antiker) Texte liegt auf der Hand.
Die Beiträge des Bandes geben einen repräsentativen Querschnitt durch die Epochen und Gattungen der griechischen und lateinischen Literatur. Vertreten ist die klassische Epoche der griechischen Literatur (Alte Komödie, Sophokles, Platon), die hellenistische Zeit (Hofdichtung) sowie die römische Kaiserzeit bis ins 2. Jahrhundert n.Chr. (Vergil, Lucan, Statius, Lukian); ergänzend werden schließlich die lateinische Spätantike (Sidonius) und der Renaissancehumanismus (Ulrich von Hutten) in den Blick genommen. An Gattungen werden Epos, Drama, Symposienliteratur, philosophischer und rhetorischer Dialog, Satire, Epistolographie, fiktionale Erzählliteratur sowie literarische Kleinformen behandelt. Bei der Auswahl der Fallstudien ist außerdem auf disziplinäre Vielfalt geachtet worden, um das Problem der Ironie(signale) durch diachrone, systematische und disziplinäre Diversifizierung anzugehen: Neben den 'klassischen' Disziplinen der Klassischen Philologie, Gräzistik und Latinistik, sind auch Beiträge aus der Sprachwissenschaft, der Alten Geschichte und Neolatinistik vertreten.
H. Heckel: Was ist Ironie?
B. Zimmermann: Ironie in der aristophanischen Komödie?
W. Rösler: Der Tragiker als Ironiker: Ion von Chios über Sophokles
M. Erler: Parrhesie und Ironie: Platons Sokrates und die epikureische Tradition
U. Hamm: Zum Phänomen der Ironie in höfischer Dichtung oder: Ironie ist, wenn der Herrscher trotzdem lacht
M. Meier: Herrscherpanegyrik im Kontext: Das Beispiel Nero und Lucan
G. Binder: Ironische und sarkastische Rede in Vergils Aeneis
C. Klodt: Der kleine Achill: Ironische Destruktion homerischen Heldentums in der Achilleis des Statius
Th. Paulsen: "Ambrosia floss aus seinen Reden": Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung in Lukians Nigrinos
O. Overwien: Ironie in den Briefen des Sidonius Apollinaris
R. F. Glei: Der deutscheste aller Deutschen? Ironie in Ulrich von Huttens Arminius
Pressestimme
"Anhand von exemplarisch ausgewählten Texten versuchen die Autoren, 'Ironie' in ihren mannigfaltigen Ausformungen darzustellen, wobei das Spektrum vom klassischen Griechenland bis in die lateinische Spätantike und in den Humanismus reicht. Im einleitenden, grundlegenden Artikel von H. Heckel wird zuerst der εἴρων (εἰρωνεία ist etymologisch ungeklärt) als jemand verstanden, der sich verstellt, manchmal selbst herabsetzt, insgesamt eine Strategie des Nicht-Ernst-Nehmens verfolgt, dabei aber im Gegensatz zur ἀλαζονεία über feinsinnigen Humor verfügt. Die übliche Definition von ironischer Rede als 'Ausdruck des Gegenteils des wirklich Gemeinten' finde sich erst im 4. Jh. v. Chr., die erst in der Moderne so bezeichnete 'Romantische Ironie', eine ironische Haltung des Künstlers zur Welt und auch zu seiner eigenen Kunst, sei in Ansätzen auch schon in der Antike vorhanden. Wie B. Zimmermann in seiner trefflichen Analyse der Ironie bei Aristophanes ausführt, kann z. B. das Umschwenken des Chores in den 'Wolken' mit dem Verhalten eines εἴρων erklärt werden, der dem Protagonisten scheinbar zum Sieg verhilft, ihn dann aber mit seinem Anliegen scheitern läßt. Eine hübsche Szene in den 'Epidemiai' des Ion von Chios, mit dem Dichter Sophokles im Zentrum, stellt W. Rösler vor: der große Dichter zeigt sich hier als Meister subtiler Ironie, aber auch Selbstironie. M. Erler sieht in seinem Beitrag 'Parrhesie und Ironie' die bei Platon dargestellte sokratische Methode in diametralem Gegensatz zur offenen Kommunikation Epikurs und seiner Schüler. M. Meier setzt sich in seinem Beitrag zur Beziehung von Nero und Lukan vor allem mit der Interpretation der 'laudes Neronis' (Phars. 1, 33-66) auseinander. Er versteht dieses Lob nicht, wie die meisten, in Analogie zu den sonstigen prinzipatskritischen Äußerungen in diesem Epos, sondern als eine besonders subtile Form des Angriffs. Bemerkenswert ist auch der Beitrag G. Binders zur 'Ironischen und sarkastischen Rede in Vergils Aeneis'. Besonderes Augenmerk gilt hier der sarkastisch-ironischen Aufnahme von Argumenten des Vorredners, so etwa in der berühmten Auseinandersetzung zwischen Dido und Aeneas (4, 331-387), wo die Frau dem Helden seine eigenen 'Entschuldigungen' um die Ohren schlägt. C. Klodt sucht die 'ironische Destruktion homerischen Heldentums in der Achilleis des Statius' zu erweisen: Insbesondere die Figur des Achill werde durch die verschiedensten ironischen Brechungen ins Komische verzerrt. Ein schöner Aufsatz T. Paulsens zur Ironie in Lukians Nigrinos, weiters O. Overwiens reicher Beitrag zu einem Brief des Sidonius Apollinaris und der ausgezeichnete Artikel des Editors dieses Bandes zu Ulrich von Huttens Arminius runden diese äußerst lesenswerte Veröffentlichung ab."
Walter Stockert, Wiener Studien 126 (2013)