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Geschichtsverarbeitung als kulturelle Selbstreflexion

25,00 €
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Beschreibung


Ulrike Erichsen

Geschichtsverarbeitung als kulturelle Selbstreflexion. Untersuchungen ausgewählter postkolonialer Gegenwartsromane der anglophonen Karibik: Lawrence Scott, Caryl Phillips, Erna Brodber

ISBN 978-3-88476-448-0, ISBN 3-88476-448-9, 222 S., kt., € 25,00 (2001)

(Reflections - Literatures in English outside Britain and the USA, Bd. 10)


Es geht in dieser Arbeit um Geschichtsverlust und -wiedergewinnung in Gegenwartsromanen der anglophonen Karibik, um Gedächtnis und Aneignung von Vergangenheit sowie die erinnerungsbildende Kraft der Literatur als Teil eines umfassenden politischen Diskurses. Gemeinsam ist den hier untersuchten Romanen von Lawrence Scott, Caryl Phillips und Erna Brodber die Überwindung der Täter/Opfer-Dichotomie, die Abwendung von ethnienspezifischen und nationalistischen Darstellungsmustern sowie eine zunehmend internationale Neuorientierung. Die ersten fünf Kapitel entwerfen den theoretischen Bezugsrahmen für die nachfolgenden Analysen. Die literarischen Texte befinden sich an einer Schnittstelle von Postkolonialismus und Postmodernismus; sie gehen jedoch über eine reine Infragestellung von Begriffen wie Geschichte, Identität und Subjekt hinaus, indem sie nach neuen, der nachkolonialen Situation angemessenen Lösungen für Orientierungskrisen suchen. In bezug auf die Orientierungsleistung für soziales Handeln sind Literatur und wissenschaftliche Geschichtsschreibung funktional vergleichbar. Die literarische Vergangenheitsaneignung kann hier jedoch sogar als eine Art Avantgarde der Geschichtsschreibung betrachtet werden, insofern sie neue Erfahrungswelten erschließt und die daraus resultierenden Erinnerungskulturen überhaupt erst zum Gegenstand historischer Reflexion macht. Gleichzeitig stiften die Texte ein postkoloniales Subjekt, das sich der Fremdbestimmung entzieht, indem es das Interpretationsmonopol für die eigene historische Erfahrung beansprucht. Um diesen performativen Aspekt zu betonen, kommt in der Analyse der Begriff des Identifikationsschemas zur Anwendung. Im Gegensatz zu dem Stabilität und Statik suggerierenden Identitätsbegriff sind Identifikationsschemata wandelbar. Solche Schemata organisieren und strukturieren literarische Erinnerungsprozesse ebenso wie historische Rekonstruktionen und produzieren, zumindest punktuell, kohärente Versionen der eigenen Geschichte. Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsorientierung, Geschichtsverarbeitung und kulturelle Selbstreflexion treffen in diesem Punkt zusammen.


Pressestimme

"Ausgehend von der Einsicht, daß Literatur als produktives Medium der Sinnstiftung 'neue Erfahrungswelten erschließen kann', interpretiert die Autorin sechs ausgewählte Romane von Lawrence Scott, Caryl Phillips und Erna Brodber. Ohne Gefahr zu laufen, die Erzähltexte lediglich als Abbild des entwickelten Theoriedesigns erscheinen zu lassen, illustrieren die kenntnisreichen Interpretationen den je spezifischen Beitrag, den die Romane zur kulturellen Selbstreflexion sowie zur (Re-)Konstitution der durch den Kolonialismus beschädigten karibischen Identität leisten."

Birgit Neumann, Wissenschaftlicher Literaturanzeiger (2003)