Erzählform und Persönlichkeitsdarstellung in deutschsprachigen Autobiographien des 16. Jahrhunderts
Beschreibung
Stephan Pastenaci
Erzählform und Persönlichkeitsdarstellung in deutschsprachigen Autobiographien des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Historischen Psychologie
ISBN 978-3-88476-079-6, ISBN 3-88476-079-3, 292 S., kt., € 25,50 (1993)
(LIR - Literatur, Imagination, Realität, Bd. 6)
Die Frage nach den im Vergleich zur Moderne andersartigen historischen Ausdrucksformen von Individualität im 16. Jh. ist ein wichtiger mentalitätsgeschichtlicher Beitrag zur Bestimmung des Übergangs vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Die hier vorliegende Arbeit analysiert erstmals die von der Germanistik kaum beachteten wichtigsten deutschsprachigen Autobiographien des 16. Jahrhunderts unter dem Gesichtspunkt der Individualität und nimmt diese Texte als Vertreter einer literarischen Gattung ernst. Es wird hier zwischen Autobiographien, die sich an die Öffentlichkeit wenden und solchen, die vor der Öffentlichkeit geheimgehalten werden sollten, unterschieden. In dieser zweiten Textgruppe finden sich die deutlichsten Ausdrucksformen historischer Individualitätstypen (Einblicke in die Privatsphäre und die eigene Affektivität). Aufgrund des negativen gesellschaftlichen Stellenwertes der Individualität im 16. Jh. rückten die Autoren der ersten Gruppe den exemplarischen Gehalt ihrer Lebensgeschichte in den Vordergrund und versperrten so den unmittelbaren Einblick in ihre Persönlichkeitssphäre. So stellt sich die Frage nach absichtlichen Stilisierungen und den Gründen für das Verschweigen von Innerlichkeit, verbunden mit dem Versuch, den historischen Typus der Individualität durch andere Quellen und psychoanalytische Interpretation zu rekonstruieren. Hierbei wird von einer Analogie zwischen der Psychodynamik der Traumbildung und dem Vorgang des Erinnerns beim Aufschreiben einer Autobiographie ausgegangen. Die Arbeit kann somit die rein literaturimmanente Untersuchung von Clemens Lugowski ("Die Form der Individualität im Roman"), dessen morphologische Methode sich für die Analyse der spezifischen autobiographischen Erzählformen als fruchtbar erwies, entscheidend erweitern und korrigieren.